Mallorquiner werden oder Langzeiturlauber bleiben?

Norbert Schiebelhut

© Veronika Galkina

In deutschen Zeitungen wird Mallorca häufig als 17. Bundesland bezeichnet. Bei etwa 30.000 Deutschen, die offiziell hier gemeldet sind, und weiteren 40.000, die über längere Phasen des Jahres in ihren Fincas wohnen, ist dieser Kommentar nachvollziehbar. Es gibt deutsche Bäcker, deutsche Lokale und einen deutschen Radiosender – wer will, kann hier genauso leben wie zuhause, quasi in einem Deutschland mit besserem Wetter.

Ich wollte das nicht.

Sonne, Genuss und Liebe auf Mallorca
Ein Leben unter blauem Himmel, der Genuss von leckerer, mediterraner Küche, die Nähe zum Meer, das typisch südländische Flair, die Lebensart, all dies zog auch mich seit meiner Kindheit, geprägt von vielen Sommerurlauben auf den Balearen, magisch an. Ausgelöst durch die Liebe zu einer jungen Spanierin, die heute seit fast 18 Jahren meine Frau ist, wanderte ich Ende der 90er Jahre tatsächlich von Hessen nach Mallorca aus. Ein Traum hatte sich erfüllt.

Wie für jeden deutschen Auswanderer hier stellte sich die Frage, bis zu welchem Grad ich mich in das lokale Leben integrieren möchte. Ganz, ein wenig oder gar nicht? Bleibe ich mein Leben lang ein Urlauber oder werde ich ein echter Mallorquiner?

Für mich war die Entscheidung klar: Natürlich liebe ich den klaren, blauen Himmel, das Licht, weit weg von der in Deutschland üblichen „grauen Suppe“, und den Strand. Mich begeisterten aber auch die offene Art der Spanier, ihre Leichtigkeit Arbeiten und angenehmes Leben zu verbinden und die Freundlichkeit der Menschen. Gerne wollte ich dazugehören.

Wie integriere ich mich auf Mallorca?
Zu Beginn half es, dass ich aufgrund meiner Ausbildung und Auslandserfahrung fachlich breit aufgestellt war und so schnell an einen sehr guten Job kam, der mir die Möglichkeit gab, mich in kürzester Zeit in die lokale Wirtschaft zu integrieren und ein Kontaktnetz zu etablieren. Nicht allen Auswanderern gelingt dies: Besonders in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise müssen die Einheimischen einen Vorteil erkennen, wenn sie einem Ausländer einen Job anbieten. Bei gleichen Fähigkeiten hat sonst der Spanier die Nase vorn.

Noch wichtiger als die Ausbildung ist allerdings die Sprache: Spanisch zu können ist dringend notwendig, damit du weißt, was um dich herum geschieht und du dich in dein Gastland integrieren und diesem auch kulturell annähern kannst. Ebenfalls sollte der Respekt vor dem Gastland auch mit einer Art Demut ineinander gehen. Die Sprache ist dazu das notwendige Handwerkszeug. Generell sind die Spanier übrigens sehr offen und hilfsbereit, wenn sie merken, dass jemand versucht, sich mit ihnen in der Landessprache zu verständigen. Als Auswanderer musst du nicht perfekt sprechen, aber den Willen haben und zeigen, dich auf Spanisch zu verständigen.

Wenn du einige Zeit auf Mallorca gelebt hast, solltest du für dich die Frage beantworten, wie du dir einen neuen Freundeskreis aufbaust. Triffst du dich überwiegend mit anderen Deutschen, lebst du gar in einem eher deutschen Viertel? Welche Hobbies verfolgst du und wie sollen deine Kinder aufwachsen?

Sicher erleichtert durch den Hintergrund meiner spanischen Frau verfolgten wir von Anfang an die Integration in das mallorquinische Leben. Wir sind in einem lokalen Sportverein mit überwiegend einheimischen Freunden und unsere Kinder besuchen eine spanische Schule. Meine Frau und ich wollten, dass unsere Söhne in einem natürlichen Umfeld aufwachsen und nicht in einer Art Ghetto, in welchem sich viele zugezogene Ausländer aufhalten.

Heimatlos?
Dennoch ist mir natürlich der Kontakt nach Deutschland und zu Deutschen wichtig: Beruflich berate ich deutsche Unternehmen bei Ihren Investitionen in Spanien und helfe ihnen, ihre Geschäftstätigkeit hier erfolgreich aufzunehmen. Auch privat komme ich immer gerne nach Deutschland zurück, es ist mir selbstverständlich weiterhin heimisch und vertraut, der Abstand wird aber mit jedem Jahr größer und ich fühle mich zunehmend ein wenig fremder. In Spanien fühle ich mich sehr wohl, bin mir aber bewusst, dass es niemals meine Heimat sein wird, da die Heimat meiner Meinung nach dort ist, wo man aufgewachsen ist und seine Wurzeln hat. In gewisser Weise wird man als Auswanderer heimatlos.

Angekommen!
Dieses gelegentlich aufkommende Gefühl wird aber mehr als ausgeglichen durch die positiven Gefühle: Wenn ich nun nach gut 18 Jahren auf der Insel zurückblicke, von einer Ecke meines Gartens über den Pool auf mein Haus schaue, meine Frau und meine Kinder dort sehe, den blauen Himmel über mir habe, eine angenehme Temperatur und eine mediterrane Brise spüre, dann erfüllt mich eine gewisse Zufriedenheit und Stolz. Wenn ich mit meinem Cabrio über den Paseo Marítimo fahre und die beeindruckende Kathedrale vor mir sehe, freue ich mich sehr darüber, im Paradies zu leben!

Es hat sich gelohnt und es war die für uns richtige Entscheidung, dass ich damals den Mut hatte meinem Traum zu folgen, das Abenteuer Mallorca zu wagen. Heute habe ich eine tolle Familie und einen guten Job, bin sehr gut in das mallorquinische Leben integriert und lebe an einem fantastischen Ort. Aus heutiger Sicht habe ich sicherlich Vieles richtig gemacht.

Und auch die Frage Mallorquiner oder Langzeiturlauber hat sich für mich geklärt: Auswandern ist anders als Urlaub, besonders die Integration ist wichtig. Wenn du dich dafür entscheidet, für immer an einem Ort zu leben, dann solltest du dich mit Nachbarn nicht nur verständigen können, sondern sie auch wirklich verstehen, idealerweise sogar neue Freunde finden. Offenheit ist dabei wichtig, ebenso wie Toleranz und Einfühlungsvermögen. Wer als Kolonialherr auftritt, der wird es nicht einfach haben, sich zu integrieren, respektiert und anerkannt zu werden.

Denn: Meist passt sich der Auswanderer dem Land an, selten ist es umgekehrt.


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